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Puerto Natales

07.-12.12.2005 Punta Arenas, Puerto Natales & Torres del Paine

In Chile gibt es viele Feiertage. Und da das Land katholisch ist, gibt es auch etliche seltsame Feiertage. Einer davon wird am 8. Dezember zelebriert und nennt sich Inmaculada Concepción. Man feiert also die "unbefleckte Empfängnis". Aber egal, was man nun feiert, es ist jedenfalls immer ein willkommener Anlass, Santiago für ein paar Tage zu verlassen. Nach einigen komplizierten Denkprozessen haben wir uns darauf verständigt, in einer Vierergruppe über den Feiertag und ein paar Brückentagen eines der wirklich großen Highlights des südamerikanischen Kontinents zu besuchen: den Nationalpark Torres del Paine. Die Zeitrestriktionen waren nicht zu unterschätzen und bis an die Südspitze des Kontinents sind es von Santiago aus 2.000 km Luftlinie. Eine Busfahrt hätte minimal 3 Tage gedauert, zumal die Topographie der Gegend nicht immer einfach ist. So kam nur ein Flug in Frage, den ich dann eher teuer als billig erstanden habe - mit Billigflügen is nix in Chile ;-)

Bin dann also am 7. Dezember desnächstens nach der Arbeit noch in den Flieger gesprungen samt aller verfügbarer Trekkingausrüstung, nach einigen Stunden in Punta Arenas angekommen - der südlichsten Großstadt der Welt mit ca. 120.000 Einwohnern. Am nächsten Tag gleich weiter nach Puerto Natales (Bild oben), einem kleinen Fischerstädtchen am Seno de última esperanza - dem Sund der letzten Hoffnung. Welch verheißungsvoller Name! Aber ganz passend für das Ende der Welt - Patagonien. Die Luft der Landschaft ist außergewöhnlich klar, das Licht reicht weit, die Farben leuchten besonders intensiv. Der ständige Wind reißt einen fast um, Regen und Sonne wechseln sich ständig ab. Dicke Klamotten im Gepäck zu haben ist Pflicht, dennoch ist auch Sonnenschutz angesagt. In Puerto Natales haben wir unsere Busfahrt in den Nationalpark Torres del Paine klargemacht und uns in einer familienbetriebenen Unterkunft eingenistet. Bei der gelernten Friseurin Anita, die ein paar Zimmer ihres aus Blech zusammengezimmerten Hauses an Touristen vermietet, und ihrem moppligen, aber eifrigen Sohn, der fleißig die Touristen zusammensammelt. Beim Betreten der "Pension" gelangt man sofort in das Wohnzimmer der Familie, wird freundlich begrüßt von Familie oder anderen erschöpften, herumlungernden Rucksackreisenden aus aller Welt. Oma schaut den ganzen Tag fern, Papa hilft nach einigem nachhelfenden Gezeter von Mutti dann abends bereitwillig in der Küche mit. Wir machen noch ein paar Erkundungsspaziergänge durch das Städtchen, auch an den Sund, wo der alle zehn Minuten stattfindende Wechsel der Wetterlagen besonders eindrucksvoll ist. Eine der Straßen heißt Hermann Eberhard, nach dem Deutschen, der Anfang des letzten Jahrhunderts ein drei Meter großes, vereistes Ur-Faultier in einer Höhle entdeckt hat. Die Höhle ist heute ein beliebter Touristennepp, steht dort doch nur eine gläserne Faultier-Kopie. Wir packen jedenfalls unsere Rucksäcke und fahren am nächsten Tag in den Park.

Cuernos del Paine

Endlich angekommen in Torres del Paine. Wir hatten eine unkonventionelle Wanderroute ausgewählt und somit ging das Wandern ganz ohne die erwarteten Massen an ausländischen Wanderfreunden los. Das Gepäck war nicht zu unterschätzen, aber durch die geringe Anzahl an Wandertagen brauchten wir nicht so viel Verpflegung, ein Zelt hatten wir auch nicht mitgenommen, da wir für die erste Nacht ein maßlos überteuertes Zimmer in einer schlichten Herberge reservieren konnten. Eingepackt in weitgehend wasser- und sturmfeste Kleidung konnte uns der stetige Nieselregen am ersten Tag nicht so viel anhaben. Die Strecke war einfach, es ging durch eine weite Ebene hindurch, hatte jedoch andere Tücken. Gegen den Wind zu laufen war ein wahrhaftiger Kampf. Ich kam mir vor wie im "Herr der Ringe", wenn die Gefährten wunderschöne, aber wettergepeitschte Landschaften durchstreiften. Der Eindruck hat sich auch über die anderen Tage erhalten. Torres del Paine ist ein zauberhaftes Märchenland aus einer anderen Welt. Nach Ankunft in der Herberge durften wir uns trotz der strengen Regeln, die dort herrschten, ein Fertignudelabendbrot in einem beengten Campingpavillon selbst zubereiten, während die zahlungswilligeren Gäste ein mäßiges Abendbrot im Speisesaal der Herberge einnehmen konnten. Der nächste Tag sollte uns planmäßig ins Valle Francés führen, jeweils 11 Kilometer hin und zurück. Schon von Anfang an war absehbar, dass das dafür notwendige Tempo nicht zu halten war und so sind wir das letzte Steilstück nur zum Teil hochgelaufen. Mit den typischen Wanderblessuren geplagt hatte jeder seine eigenen Problemchen: ob nun Blasen an den Füßen, Muskelzerrungen oder einfach nur einer aus letzten Kräften keuchenden Lunge. Belohnt wurden wir mit einem herrlichen Naturschauspiel - ein visueller Gemüseeintopf aus Bergen, Gletschermassen, Wasserfällen und türkisblauen Seen. Das Wetter hatte sich auch auf unsere Seite geschlagen und so hat bei gar nicht so abschreckenden Temperaturen die Sonne doch öfter mal rausgeblinzelt.

Lago Pehoe

Für jene Nacht gab es kein Bett in der Herberge mehr, aber man bot uns an, in einem der schon aufgebauten Zelte schlafen. Irgendwo gemütlicher und halb so teuer wie das Refugio, allerdings muss man zum Pinkel eben nachts nochmal durch den Sturm laufen und wesentlich kälter war es auch. Schlafen war nicht so einfach, da sich in der Nacht die Windböen lautstark an die nachgebenden Zeltwände pressten und für das stetige Unwohlgefühl sorgten, dass wir womöglich zusammen mit unserem Zelt davonfliegen könnten. Aber das Zelt hielt. Und am folgenden Tag konnte also die Route zum Glaciar Grey in Angriff genommen werden - einem in einen See kalbenden Gletscher (Bild unten). Schon in der Herberge hatten wir mit zwei anderen Mädels über diese Tagesstrecke gesprochen und beide haben uns versichert, dass sie die Strecke lockerleicht geschafft haben und dass sie im Wesentlichen sehr eben wäre. Nunja, unsere Vorstellung einer Ebene wich dann doch von dem ab, was wir erlebten. Anstatt einer geraden, gemütlichen Waldwanderroute ging es beständig mal zweihundert Meter nach oben, nur um dann auf einer windgepeitschten Kuppe zu landen, auf der jegliches grade Laufen zur Herausforderung wurde. Und Kuppe heißt es geht auch wieder bergab. Und wieder bergauf. Und bergab. Kein wirklicher Kinderspaziergang. Aber wir wurden mit Ausblicken auf den immer näher rückenden Gletscher belohnt. Und er hat tatsächlich blau geschimmert. Ich dachte immer, ewiges Eis wäre weiß. Zum Verweilen am Gletscher hat es nur für kurze Zeit gereicht, denn wir standen unter Zeitdruck - es galt noch den Katamaran zu erwischen, mit dem wir den Park wieder verlassen konnten. Und nach dem Marsch und dem kurzen Ritt über den Lago Pehoe sind wir wieder drei Stunden zurück nach Puerto Natales gefahren.

Glaciar Grey

Dort kurz genächtigt und die Fahrt nach Punta Arenas klargemacht. Gar nicht so einfach, denn der letzte Tag war ein ganz besonderer Sonntag - Wahlsonntag in Chile. Und wie dann am nächsten Tag festzustellen war, ist das öffentliche Leben an Wahltagen komplett lahmgelegt. Hungrig in Punta Arenas - immerhin einer recht großen Stadt - war mit Mühe und Not nur ein Fastfoodrestaurant zu finden. Alles andere war geschlossen, obwohl ansonsten viele Geschäfte in Chile auch sonntags geöffnet sind. Zudem hat mich meine Muskelzerrung geplagt und ich konnte kaum einen Schritt mehr laufen. Mit Zähne-Zusammenbeißen habe ich es auf einen Aussichtspunkt geschafft, von dem man die schön bunte Stadt von oben bewundern konnte (Bild unten). Punta Arenas war einst reich und so finden sich hier im Gegensatz zu Santiago auch viele historische Prachtbauten. Das Ende-der-Welt-Gefühl wird noch bestärkt durch die Aussicht auf die Insel Feuerland (im Hintergrund), die noch ein Stück südlicher liegt. Der Wahltag zeigte noch andere Seiten von sich: die ungewöhnlich starke Militärpräsenz und dass es es getrennte Wahllokale für Männer und Frauen gibt. Einen Bus zum Flughafen zu finden war unmöglich, so dass wir uns ein Taxi leisteten und mit einem Zwischenstopp in Puerto Montt sind wir spät nachts wieder in Santiago gelandet. Die Wahl ging übrigens so aus, dass sich Sozialistin Michelle Bachelet in der nun folgenden Stichwahl dem wirtschaftsliberalen und eher Pinochet-nahen Unternehmer Sebastián Piñera stellen musste, was sie aber dann im Januar für sich entscheiden konnte.

Punta Arenas

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